In der visionär wie komplex gestalteten Erzählung entsteht ein Krieg mit Schmutzkampagnen, sozialen Bots und rücksichtslosen Videobloggern.
Der Regisseur und Drehbuchautor Mario Sixtus erzählt Cees Geschichte sprunghaft und dicht. Einiges erklärt sich spät oder gar nicht. Manchmal wirkt der Film, als würde er in sich selbst vor- und zurückzappen – gerade so, wie wir heute schon oft Inhalte im Netz konsumieren.
Das Thema, das Mario Sixtus, Autor und Regisseur, hier inszeniert, ist die Triangulation von Digitalisierung, Arbeitsteilung und Mob-Mentalität. Seit die sogenannten sozialen Medien ihre enormen Unheilspotenzen freisetzen, wissen wir, dass Computer das Gefühlsleben der Menschen nicht unbedingt austrocknen, sondern es, um neue Profitquellen anzuzapfen, auch ankurbeln und bis in völlig hirnlose Erregungshöhen peitschen können.
Der Film überzeugt durch dramaturgische Finesse und visuellen Einfallsreichtum, der mit einfachen Mitteln ein stimmiges dystopisches Szenario entwirft.
Toneffekte werden ebenso genutzt wie Visual Effects, um eine Atmosphäre zu kreieren, die einerseits wie eine Traumwelt und gleichzeitig bedrückend real wirkt, sodass die Tatsache, dass es sich hier um eine Dystopie handelt, teilweise in den Hintergrund rückt.
Dahinter steht die Frage, wie viel ein Mensch denn nun wert ist. Dahinter steht aber auch, wem in der digitalen Welt Glauben geschenkt werden kann. Es ist nicht zu viel verraten zu sagen, dass diese Person nicht zwangsläufig diejenige ist, die auch die Wahrheit sagt.
In trist wirkenden Neubaugebieten in Köln und Düsseldorf gedreht, hat der Motion Designer Fritz Gnad mit seinem Team eine schrille, moderne Version bekannter Science-Fiction Elemente wie sprechender Häuserwände auf erfrischende Weise umgesetzt. In teils verstörend verzerrten Bildsequenzen werden optische Wahrnehmung und körperliche Leiden der Akteure direkt nachfühlbar.
Klug und konsequent durchdacht, visionär gestaltet und komplex erzählt.
Hyperland ist einer der wenigen Science-Fictions, in denen man glaubhaft spürt, sich durch eine mögliche Zukunft zu bewegen.
Eigentlich ist „Hyperland“, wie so viele Dystopien, nicht wirklich Science Fiction, sondern zeigt zwischenmenschliche Dynamiken, wie es sie hier und heute längst gibt. In dieser Hinsicht ähnelt „Hyperland“ der Dystopie „The Handmaid’s Tale“ von Margret Atwood, die ja auch nicht wirklich eine Projektion ist, sondern nur jede Form von Sexismus und Misogynie zusammenstellt, die sich irgendwo auf der Welt, in irgend einer Kultur so schon einmal ereignet hat. Einen Vorteil hat „Hyperland“ jedoch gegenüber „Black Mirror“ und „The Handmaid’s Tale“: Es ist kein sadistischer Dystopie-Porn. Das tut gut angesichts eines Alltags, der für vielem Menschen in vielerlei Hinsicht längst dystopisch geworden ist.
Technik, Kultur und Katzencontent
Abgesehen von der grandiosen Coolness des Weltenentwurfs von Mario Sixtus ist Hyperland auch sehr hip fotografiert, die Figuren bewegen sich wie in einer Science-Fiction-Choreographie, und der Zuschauer findet sich immer weiter ein in diese Hyperwelt mit ihren Extrapolationen des heutigen Web 2.0 oder 3.0 oder was immer.
Dass eine deutsche Produktion sich, gemessen an ausländischen Standards, gesetzt etwa von der britischen Show „Black Mirror“, so wenig schämen muss wie „Hyperland“, sieht man selten.
„Hyperland“ exploriert „Shitstorms“ und „Cancel-Culture“ auf einem neuen Level. Das Spielfilmdebüt von Autor und Journalist Mario Sixtus entführt in eine Welt, die gleichsam vertraut wie surrealistisch wirkt. Im Fokus steht dabei die Frage: Wie viel ist ein Mensch tatsächlich wert?
Der Film ist die Sozialstudie einer Gesellschaft, die längst auf gegenseitiger und öffentlich sichtbarer Bewertung beruht. Damit macht Hyperland den Kniff, den viele Science-Fiction-Geschichten folgen: Er verschiebt ein aktuelles Thema in ein Zukunftsszenario, um es durch die Verfremdung besser greifbar zu machen.
Die Ambitioniertheit und das fast schon kühne Selbstvertrauen Sixtus‘, in einem Fernsehfilm nicht alles auszuerklären, sind ungewohnt erfrischend.
Ein beachtlicher filmischer Entwurf, der im Grunde auf der Leinwand gesehen werden müsste: Großer Kinoernst, nicht kleines Fernsehspiel.
In Schauspielerei, Effekt und Konzeption baut „Hyperland“ so eine Warnung vor Ereignissen, die einerseits schon geschehen sind, deren Folgen sich aber andererseits vielleicht noch ändern lassen, bevor wir ihretwegen gar nicht mehr wissen, wie schlimm wir längst dran sind.
„Hyperland“ greift ein interessantes Konzept auf, spielt mit sozialen Theorien und Problemen, die mehr als aktuell sind – und das auf sehr innovative und kreative Art und Weise.
Der Film zeigt keinen Ausweg und will nicht missionieren, sondern einen aktuellen Zustand diagnostizieren und damit zum Nachdenken anregen. Das gelingt ihm, und er zeigt dabei, wie eine TV-Produktion aktuelle Diskurse aufgreifen kann, ohne sich an ihnen abzuarbeiten: Es ist erfrischend, wie unprätentiös ein Film mit diversen Themen wie Hautfarben und Geschlechteridentitäten umgehen kann, ohne dass dies das eigentliche Thema des Films wären.