Ich habe die große Ehre, am 14.12. ab 19:00 Uhr, zusammen mit Dietmar Dath, Hannes Riffel und Klaudia Seibel Teil der Veranstaltung „Welcome to Utopia – Handbücher für die Zukunft“ zu sein. Die Organisatoren baten mich, etwas Persönlichen über meine Beziehung zu Science-Fiction und Zukunft und überhaupt zu schreiben. Nun denn:
Es ist 1972 und ich bin sieben Jahre alt, als das Konzept der utopischen Fantastik erstmalig und völlig unangemeldet in mein Leben poltert; genauer: Es ist Samstag der 27. Mai, und das ZDF beginnt mit der Ausstrahlung der Serie “Star Trek” unter dem deutschen Titel “Raumschiff Enterprise”. Ich sitze vor der schwarz-weißen Fernsehröhre im Wohnzimmer und fliege gleichzeitig mit Warp-Geschwindigkeit durchs All. An den folgenden Samstagen treffe ich Klingonen, grünhäutige Bauchtänzerinnen, schreite durch Zeitportale und wohne dem Diebstahl von Mr. Spocks Gehirn bei, das glücklicherweise nach rund 45 Minuten wiedergefunden wird.
Mein eigenes Gehirn ist damals hauptberuflich damit beschäftigt, die Welt zu begreifen, und irgend etwas, möglicherweise eine Bemerkung meiner Eltern oder ein Ankündigungssatz der diensthabenden Fernsehansager*innen, hat mir klar gemacht: Raumschiff Enterprise spielt in der Zukunft! Das Konzept Zukunft kenne ich damals noch eher bedingt, aber nun weiß ich immerhin, wie die Zukunft aussieht und was man in ihr macht: Man fliegt in einem riesigen Dings durchs All!
Die tiefere Wahrheit in dieser Erkenntnis: In der Zukunft bleibt nicht alles wie es ist. Es werden fremdartige Mitlebewesen, unbekannte Welten, Erfindungen, Ideen, Technologien, Kulturen und Wertvorstellungen auf uns zurollen, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen; immer mehr und immer noch neueres Neues, das begriffen und auf das reagiert werden will. Ich bin sieben Jahre alt, sitze vor einem Röhrenfernseher, und mit Hilfe von Captain Kirk und Mister Spock habe ich gerade das Konzept des Konservativismus als Unfug entlarvt.
Etwas später übernehmen Hoimar von Ditfurth und Hans Haber die Ausstattung meiner Zukunftsvorstellungen, und sie stellen meiner Vorfreude auf Fortschritt und Abenteuer düstere Visionen von Umweltzerstörung und Klimaerhitzung in den Weg. Nicht Hollywood liefert mir die erste Dystopie, ein unerhörtes Bild von der Erde als verödetem Wüstenplaneten, sondern das deutsche Wissenschaftsfernsehen: “Querschnitte” war mein “Mad Max”.
Als Jahrzehnte später das Internet in mein Leben poltert, ebenfalls unangemeldet, fühlt es sich ein winzig wenig so an wie damals als Siebenjähriger auf der Brücke der Enterprise: Das ist Zukunft; oder zumindest beginnt sie hier. Ich bin zu diesem Zeitpunkt sicher, es gibt eine direkte temporale Verbindung zwischen dem Quietschen meines Modems und der Gründung der Vereinigten Föderation der Planeten. Das Netz würde die Menschheit klüger machen, sie auf neue Evolutionsstufen heben, ihr auf bislang unbekannte Levels von Wissen, Weisheit, Demokratie, Solidarität und Gerechtigkeit hinauf helfen. Plus Pornos.
Abgesehen von den Pornos glaube ich das heute nicht mehr. Wir haben 2021, gegen die Klimaerhitzung, die Hoimar von Ditfurth den deutschen Fernsehzuschauern vor rund 40 Jahren erklärte, hat bislang noch niemand etwas Wirksames unternommen; und ein irrsinniger Präsident der Vereinigten Staaten hat mit Hilfe des Internet Menschen das Capitol stürmen lassen, die davon überzeugt sind, die politische Elite halte Kinder gefangen, zapfe ihnen Blut ab und stelle aus dem daraus gewonnenen Stoffwechselprodukt Adrenochrom Verjüngungs-Elixiere her.
Im ZDF laufen bisweilen immer noch Filme über die Zukunft. Einen davon habe ich nun geschrieben und die Regie geführt: https://www.zdf.de/filme/das-kleine-fernsehspiel/hyperland-100.html